Nach ziemlich genau 20 Jahren in der 1. Feldhockey-Bundesliga wird Svenja Schuermann am Ende der aktuellen Rekord-Saison ihre sportliche Karriere beenden. Am 21. April 2001 bestritt sie das erste Bundesliga-Spiel mit den Damen des Berliner HC gegen die Zehlendorfer Wespen. Nun tritt die inzwischen 37-Jährige am Samstag mit dem BHC im zweiten Playoff-Viertelfinale beim Club an der Alster an. Es könnte ihr letztes Spiel für den Hauptstadtclub sein, denn ihr BHC braucht nach dem 0:6 im ersten Vergleich einen Sieg gegen den deutschen Meister, um das vorzeitige Ausscheiden abzuwenden und ein drittes Duell zu erzwingen. „Natürlich hat auch Alster mal einen schlechten Tag, aber da muss schon viel zusammenkommen“, zeigt sich Schuermann realistisch. Bereits am vergangenen Wochenende hat sie ihr letztes Heimspiel auf dem Ernst-Reuter-Sportfeld bestritten, denn alle möglichen weiteren Saisonspiele finden auswärts statt. „Es ist schon komisch nach so langer Zeit, aber im Spiel denkt man dann doch nicht mehr dran“, gesteht die linke Außenverteidigerin.
Mit ihren BHC-Damen blickt sie auf fünf deutsche Meistertitel auf dem Feld und einen in der Halle zurück. Mit der Goldenen Generation um Rekordnationalspielerin Natascha Keller sowie die anderen beiden Olympiasiegerinnen Louisa Keller und Badri Latif hat sie über Jahre zusammengespielt. Auch Schuermann war international aktiv, ihr größter Erfolg war der EM-Titel 2007 in Manchester. „Ich bin 2004 nach Olympia in Athen in die Nationalmannschaft gekommen, aber leider für Peking nicht berücksichtigt worden“, erinnert sich die gebürtige Berlinerin, die beim Berliner SC das Hockeyspielen erlernte. Ein Wechsel weg aus der Heimat war für sie nie eine Option gewesen, ein Gastspiel in Neuseeland ausgenommen. „Ich habe immer am BHC geschätzt, dass alle aus Überzeugung und Freude am Sport spielen und genau diese Auffassung teilen“, sagt die 58-malige Jugend-Nationalspielerin.
Eigentlich wollte sie im letzten Sommer schon den Schläger an den Nagel hängen, doch dann kam die Corona-Pandemie, die Saison 2019/20 wurde unterbrochen und erst im September fortgesetzt. „Ich habe auch in der Vergangenheit schon immer wieder überlegt, aber dann kamen Zeiten, in denen wir jede Spielerin brauchten“, erzählt die Linksverteidigerin, die zudem 68 Mal im deutschen A-Kader auflief. „Jetzt kommen aber so viele gute Spielerinnen aus der eigenen Jugend nach, dass nun der Zeitpunkt gekommen ist.“
Wenn Schuermann darüber nachdenkt, dass sie schon in der Bundesliga spielte, als heutige Mitspielerinnen wie Linnea Weidemann oder Philine Drumm noch nicht einmal geboren waren, meint sie: „Das ist schon krass. Vor allem wenn ich mir überlege, dass ich die letzten 20 Jahre auch immer beim Training war. Ich habe kaum eine Einheit verpasst.“ Das kann Kapitänin Malin Stiebitz nur bestätigen: „Jede, die von uns aktuell Hockey spielt, hat mit Svenne bei den Damen gestartet und es wird ein ganz komisches Gefühl für viele, wenn sie auf einmal nicht mehr beim Training dabei ist. Wir können jemanden wie Svenne niemals wieder ersetzen und die Lücke, die sie hinterlässt, nur versuchen zu verkleinern.“
Trainer Stan Huijsmans ergänzt: „Durch ihre Erfahrung gibt sie allen jungen Spielerinnen Stabilität. Ihre Leistung hat immer gestimmt und daher bin ich auch extrem froh, dass sie die Rückrunde jetzt doch noch gespielt hat.“ 27 Vorrunden-Partien umfasste die pandemiebedingt wohl längste Saison der Hockey-Bundesliga, hinzukommen die Playoffs. Stiebitz beschreibt ihre Teamkameradin als „einen liebenswerten Menschen, der an alles und jeden denkt, immer aufmerksam ist, sich Gedanken über jede Kleinigkeit macht, ein Orga-Talent durch und durch, und dazu eine super Bäckerin und Köchin ist“. Kurzum: „Sie ist einfach immer für das Team da, auf sie als Spielerin ist immer Verlass.“
Was die in einem Steuerbüro angestellte Schuermann zukünftig mit ihrer neu gewonnenen Freizeit machen will, weiß sie momentan noch nicht ganz genau: „Auf jeden Fall zieht meine Schwester mit Kind zurück nach Berlin. Die haben sicher schon Pläne für mich.“ Und je länger sie überlegt, kommt ihr doch wieder ein Gedanke mit Hockeybezug: „Ich könnte mir auch vorstellen, alte Weggefährtinnen wie Franziska Stern, Caro Schnitzer, Lena Andersch oder Coco Zippel zu reaktivieren und mich mit ihnen einmal wöchentlich zu einem Spaßtraining zu treffen.“ Auch wenn zum Saisonende mit der Bundesliga endgültig Schluss sein soll, lässt ‚Svenne‘ sich ein kleines Hintertürchen offen, sollte noch einmal ein Personalengpass entstehen: „Ich glaube das zwar nicht, weil jetzt wirklich viele Gute aus der Jugend nachkommen. Aber wenn Not am Mann ist, bin ich die Letzte, die Nein sagt.“
Die immer weiter voranschreitende Professionalisierung der Bundesliga sieht sie zwiegespalten: „Auch wir trainieren jetzt viel öfter als früher. Dadurch, dass der internationale Kalender einen immer größeren Einfluss nimmt, wird die Saison für die Nicht-Nationalspieler immer kürzer und das, obwohl auch sie inzwischen das gesamte Jahr über trainieren.“ Unabhängig davon, ob Schuermann am Samstag schon ihr letztes Bundesligaspiel bestreitet oder es noch ein oder gar zwei, drei weitere gibt, dankt Malin Stiebitz ihr schon jetzt für eine außergewöhnliche Karriere: „Keine Verabschiedung oder teure Geschenke können das wertschätzen, was Svenne in den letzten Jahrzenten für das Team geleistet hat. Liebe Svenne, wir vermissen dich jetzt schon und wünschen dir alles, alles Gute!“
Fotos: BHC / Fritz Ebeling